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Paradigmenwechsel beim Erhalt der Wasserkraftwerke?

Aggeraue ( Marie Brück)
Aggeraue ( Marie Brück)

Unter dem Motto "Wasserressourcen nachhaltig und klimastabil sichern" bereitet NRW-Umweltminister Minister Oliver Krischer derzeit eine umfassende "Zukunftsstrategie Wasser" vor. In dem vorgelegten Eckpunktepapier wird unter dem Ziel "Klimaresiliente Gewässer schaffen! Mehr Biodiversität und Klimaresilienz durch naturnahe Maßnahmen blau-grüner Infrastruktur" die naturnahe Gewässerentwicklung in Aussicht gestellt. Dies steht im Widerspruch zur bisherigen Politik "Wasserkraftstandorte unter ökologischen Aspekten weiterentwickeln" im Widerspruch.

Aggeraue 2 (Marie Brück)
Aggeraue 2 (Marie Brück)

Ziel 6 "Klimaresiliente Gewässer schaffen!" des Eckpunktepapiers aus dem Ministerium stellt mehr Biodiversität und Klimaresilienz durch Maßnahmen naturnaher Gewässerentwicklung in Aussicht. Der Handlungsbedarf wird abgeleitet aus Trockenheit mit niedrigen Wasserständen und Hochwasser. Hochwasserschutzeffekte grüner Infrastruktur müssen ausgenutzt und umgesetzt werden, heißt es. "Insofern verstärkt der Klimawandel die negativen Folgen naturferner Gewässer für Natur und Mensch. Wie kann dem begegnet werden?"

Leider wird in den Eckpunkten nicht betrachtet, welches Ausmaß Wasserkraftstandorte an den negativen Folgen naturferner Gewässer ausmachen. Wenn man in Aussicht stellt, dass man Maßnahmen zur naturnahen Gewässerentwicklung verstärkt mit Blick auf die veränderten Anforderungen durch den Klimawandel gestalten will, dann muss die Bedeutung der kilometerlangen Staubereiche für die Klimaresilienz der Gewässer erfasst werden. So ist die obere Agger im Oberbergischen Kreis keine natürliche Flusslandschaft mehr, sondern in weiten Teilen eine Staulandschaft. Negative Folgen sind der fehlende, für die Gewässerökologie so wichtige, Sedimenttransport von Sand, Kies und Geschiebe, die Erwärmung der Stauanlagen, die unter Wasser gesetzten potentiellen Auen, der Verlust möglicher Retentionsflächen - von der Verhinderung der Durchgängigkeit von Organismen ganz zu schweigen. Blendet eine naturnahe Gewässerentwicklung durch die Landesregierung diese belastenden Zustände durch die Wasserkraftstandorte aus und setzt quasi die Bestandsgarantie für Flusskraftwerke fort oder hat sie den Ehrgeiz, durch den Ausstieg aus der Kleinen Wasserkraft klimaresiliente Gewässer zu schaffen?

 

Das Referenzobjekt für einen befreiten Fluss - die niedergelegte Aggerstauanlage in Engelskirchen Ohl-Grünscheid

An der 2019 letztendlich vom Gericht wegen Gefahr im Verzug niedergelegten Stauanlage in Engelskirchen Ohl-Grünscheid kann man die segensreichen Folgen einer Flussbefreiung bewundern.  Mit den Jahren und nach mehreren Hochwässern hat sich die methanerzeugende Schlammwüste des Staus in einen sauberen Fluss mit produktivem Geschiebe und neu gebildetem Auenbewuchs verwandelt. Äschen haben wieder ihr Habitat und Retentionsraum ist entstanden. Leider ist der sich ständig erweiternde FFH-Lebensraum Weidenauwald, ansonsten streng geschützt, laut Naturschutzgesetz kein Hindernis für einen möglichen Wiederaufstau, weil er sich auf einem Gebiet zur Energiegewinnung befindet. Schutz der naturnahen Gewässerentwicklung gäbe es nur durch eine Intervention der Landesregierung zur Ablösung der Wasserrechte, was natürlich mit einem finanziellen Aufwand verbunden wäre. Nicht nur die lokalen Fischerei- und Umweltverbände haben sich hilfesuchend an den Minister gewandt.  Auch die drei Landesnaturschutzverbände und der Landesfischereiverband haben sich im September letzten Jahres an den Minister gewandt. Die Reaktion bzw. Nichtreaktion des Ministers war bislang enttäuschend. Ein Engagement von Oliver Krischer für den Erhalt der natürlichen Agger in Engelskirchen Ohl-Grünscheid wäre ein starkes Zeichen für die propagierte naturnahe Gewässerentwicklung der Gewässerstrategie für klimaresiliente Gewässer. Die Zukunftsstrategie Wasser von Oliver Krischer würde einen ordentlichen Schub bekommen.

Bislang sieht sich Oliver Krischer in der Kontinuität der NRW Wasserkraftpolitik

Es wäre erfreulich, wenn die Entwicklung der Zukunftsstrategie Wasser mit Einbeziehung der Stakeholder zu einer Überwindung der bisherigen Wasserkraftpolitik führen würde. Die ständigen Ankündigungen, Wasserkraftstandorte unter ökologischen Aspekten weiter zu entwickeln (Koalitionsvereinbarung) bzw. Gewässerökologie und Wasserkraftnutzungen an Stauanlagen unter ökologischen in Einklang zu bringen, sind nicht einlösbar.

Erhellend waren die Aussagen von Umweltminister Krischer in der Februar-Sitzung des Umweltausschusses. "Belastung der Fischbestände durch Querbauwerke: Wie sinnvoll ist die kleine Wasserkraft wirklich?" hatte die SPD-Fraktion die Landesregierung gefragt und bekam nicht nur einen schriftlichen Bericht sondern auch die bekannten Aussagen von der Nutzung der Potentiale der Wasserkraft: "Wir setzen die Wasserrahmenrichtlinie um. Wir versuchen, Gewässerökologie zu verbessern, und versuchen, Nutzungen, wenn sie noch erforderlich sind, nachhaltig zu gestalten. Nichts anderes ist das, was im Sinne der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie stattfindet." Und: "Wir haben hier eine lange Kontinuität innerhalb verschiedener Landesregierungen bei der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie, um die es hier am Ende geht. Das heißt, wir wollen die Gewässerqualität, aber auch die Gewässerstruktur verbessern."

Die Gewässerstruktur kann bei Beibehaltung der Wasserkraftnutzung nicht qualitativ verbessert werden.

Krischer verweist auf die Förderung der Wasserkraftanlagen-Betreiber, "die Anlagen durchgängig zu machen, Fischauf- und abstieg zu ermöglichen, also am Ende das zu tun, was der Gewässerökologie und allen voran den Fischen, aber auch den anderen Organismen in unserem Gewässer einen besseren Lebensraum ermöglicht."

Das ist eine Behauptung, die so nicht stimmt. Fischwanderhilfen können im besten Fall dazu führen, dass sich die Fischzusammensetzung vor und nach dem mit Wasserkraft genutzten Querbauwerk ändern kann. Damit wird aber noch nicht die Gewässerökologie verbessert, denn es verbleiben die für Salmoniden lebensfeindlichen Stauanlagen. Hier werden die für die Flussökologie notwendigen Sedimente aus Geschiebe, Sand und Kies zurückgehalten und vermengen sich mit Feinsedimenten. Die Bezirksregierung Köln hat mit Recht darauf hingewiesen, dass man aus den nach wie vor bestehenden Stauanlagen keine Möglichkeit hat, die Sedimente weiterleiten zu können. Lässt man periodisch die gelagerten Sedimente ab, so werden vor allem die Feinsedimente mobilisiert, die das Kieslückensystem abwärts im Fluss verstopfen würden. Die Bezirksregierung würde dies aus Umweltschutzgründen verbieten.

Die Unterbindung des für die Gewässerstruktur lebensnotwendigen natürlichen Sedimentflusses (Geschiebe, Kies, Sand) ist der entscheidende Grund, weshalb die in der Koalitionsvereinbarung versprochene Weiterentwicklung der Wasserkraftstandorte unter ökologischen Aspekten nicht funktioniert. Man hat in der Koalitionsvereinbarung eine Lösung in Aussicht gestellt, die aus physikalischen Gründen nicht funktionieren kann. Das bedingt natürlich auch, dass das zweite Versprechen in der Koalitionsvereinbarung, die Unterstützung der Anlagenbetreiber bei der nachhaltigen Nutzung der Gewässer, nicht zielführend ist. "Nachhaltig", bezogen auf die Gewässerökologie, ist die beste technische Wanderhilfe für Fische nicht. Mit Hilfe der §§ 33 -35 Wasserhaushaltsgesetz - Mindestwasserführung, Durchgängigkeit durch Fischaufstiegs- und abstiegsanlagen sowie Fischschutz - kann man lediglich Schäden reduzieren. Nur die ökologische "Durchgängigkeit von Organismen und Sedimenten", wie sie in der Nationalen Wasserstrategie gefordert wird, ist in der Lage, den verlangten guten Gewässerzustand zu erreichen. Schon nach Bekanntgabe der Nationalen Wasserstrategie, die auf eine Zusammenarbeit von Bund und den Ländern setzt, haben wir deshalb (Meldung Aggerbrief vom 15.03.2023), an Oliver Krischer die Erwartung geäußert, dass er im Rahmen einer NRW-Wasserstrategie ein Konzept für den Rückbau kleiner Wasserkraftanlagen mit möglichst geringen Restlaufzeiten vorlegt.

Aufwendige Durchgängigkeitsmaßnahmen bringen keinen Fortschritt bei der Gewässerrenaturierung

Nun ist es nicht so, dass in NRW keine Aktivitäten unternommen worden sind, die Gewässerökologie zu verbessern. Mittlerweile sind viele, meist kleinere, Querbauwerke, an denen keine Nutzung mehr stattfindet, entfernt worden. Dadurch wurde das jeweilige Gewässer verbessert. Bei Querbauwerken mit Nutzungen und Stauhaltungen wurden keine wesentlichen Verbesserungen der Gewässerökologie erreicht. Durch höchsten technischen Aufwand, wie an der Wasserkraftanlage Unkelmühle an der Sieg, konnten zumindest Fische durch das Querbauwerk geschleust werden. Die Natur in Gestalt von Prädatoren wie Wels Hecht und Kormoran, vor und hinter der Durchgängigkeitsanlage, haben diesen Erfolg aber zunichte gemacht bzw. aufgefressen. Unkelmühle hat sicherlich wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse erbracht. Der Erkenntnisgewinn besteht vor allem darin, dass es besser gewesen wäre, die kleine Wasserkraftanlage dort rückzubauen. Für den finanzielle Aufwand für die High-Tech-Durchgängigkeitsmaßnahme hätte man bei Investition in moderne Wind- und Solaranlagen ein wesentlich besseres Resultat erreichen können. Nach wie vor wäre  es sinnvoll, auch diese moderne Durchgängigkeitsanlage abzureißen. Für die Flussökologie wäre das die beste Lösung.

Für klimaresiliente Gewässer braucht es endlich kohärente Gesamtkonzepte für die Fließgewässer und Ausstiegskonzepte aus der Kleinen Wasserkraft

Von allen Landesregierungen wurde die Anlage Unkelmühle gepriesen, was allerdings nicht dazu geführt hat, diese Maßnahme als beispielhaft für die übrigen Wasserkraftanlagen im Land zu propagieren. Bislang ist von der Landesregierung zum Beispiel nicht vorgeschlagen worden, an den sieben Querbauwerken an der Agger in Engelskirchen High-Tech-Anlagen wie in Unkelmühle zu bauen. Dies würde einen Aufwand, nimmt man die Unkelmühle als grobe Orientierung, von über 20 Millionen Euro bedeuten!

Stattdessen hat sich das Land im Oberberg-Erlass von 2016 für die Agger darauf beschränkt, dem Betreiber Zahlen für einen Investitionsplan für die Anlagensanierung und die flussökologischen Maßnahmen nach Wasserhaushaltsgesetz in Aussicht zu stellen. Eine Zusicherung, die bis heute nicht erfüllt ist und um die sich der verbliebene Betreiber- die anderen haben aufgegeben - nicht gekümmert hat. Stattdessen hat der Betreiber u.a. in die Sanierung der maroden Wehranlage und für neue Turbinen seit 2019 über 15 Millionen Euro investiert, was auf dem Hintergrund zu sehen ist, dass der Betreiber wirtschaftlich vom Erfolg seines Wasserkraftinvestments nicht abhängig ist. Zumindest der Hersteller der neuen Turbinen hat seinen Gewinn gemacht.

Die Politik, das Geschehen an der Agger der Investitionsbereitschaft, jetzt nur noch der Aggerkraftwerke GmbH & Co.KG, zu überlassen, hat zu großen Investitionen aber nicht zu einem "kohärenten Gesamtkonzept", wie es das Bundesverwaltungsgericht für die Fließgewässer fordert, geführt. Solch ein Gesamtkonzept im Sinne des Allgemeinwohls hätte von der Wasserbehörde erarbeitet werden müssen und hätte mit den in Aussicht stehenden Auflagen für Mindestwasserführung, Durchgängigkeit und Fischschutz zur Beendigung der Wasserkraftnutzung beigetragen. Die Millionen von Euro, die in die Investitionen für die Wasserkraftanlagen geflossen sind, erschweren jetzt natürlich die Maßnahmen zur Herstellung eines klimaresilienten Gewässers.           

Einhergehend mit den kohärenten Gesamtkonzepten für die Fließgewässer muss eine Einschätzung der bestehen Wasserkraftanlagen zur Erstellung eines Wasserkraft-Ausstiegs-Szenarios erfolgen. Dabei werden die Ausstiegsdaten sehr unterschiedlich sein - von der Beibehaltung und ggf. der Modernisierung der Anlagen an Talsperren, wie zuletzt an der Wuppertalsperre, bis zu kurzfristigen Rückbaumaßnahmen. Bei Anlagen, die nach neu erteilten Erlaubnissen ihre Auflagen nicht erfüllen, wie in Engelskirchen - Osberghausen, sollte umgehend der Rückbau und die Sanierung der Stauanlagen erfolgen. Das wird nicht nur den Sedimenttransport voranbringen, sondern auch zur Auenwiederbelebung auf dem niedergelassenen Staubereichen und zu neuen Retentionsgebieten führen. Die Synergien von Gewässerentwicklung und Hochwasserschutz würden genutzt. Dabei wird in den Eckpunkten von positiven Hochwassereffekten als gestaltender Kraft in Gewässern und Auenlandschaften gesprochen - genau so, wie man dies in Ohl Grünscheid beobachten kann. Dass in den Eckpunkten die Renaturierung von Auen und Gewässerläufen, die frühzeitige Berücksichtigung von Gewässerentwicklungskorridoren und das in Aussicht gestellte Hinwirken auf Biotopverbundkorridore in den Regionalplänen - das alles ist erfreulich. Erfolgreich wird das alles nur mit dem Ausstieg aus der Kleinen Wasserkraft und der Befreiung der Fließgewässer.

Friedrich Meyer  21.05.2024

 

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