Seit Bekanntwerden der Pläne des Verbraucherschutzkommissars Tonio Borg für eine neue EU-Saatgutverordnung laufen Natur- und Gartenfreunde Sturm. Die Eu-Kommission will mit der neuen Verordnung Qualitätsstandards für Saatgut zum Nutzen der Verbraucher festlegen. Die Gegner der Neuregelung werfen ihr dagegen schlicht einen Kotau vor den multinationalen Saatgutkonzernen vor, die ihre marktbeherrschende Stellung zementieren wollen. Der Verordnungsentwurf fordert für alles Saatgut ein Zulassungsverfahren: Kein Problem für große Konzerne, sondern eher ein Vorteil für die großen Konzerne, aber ein unüberwindbares Hindernis für alte oder nur lokal verbreitete Pflanzensorten. Betroffen sind auch oberbergische Sorten.
Obstbaumexperte Olaf Schriever hat bei einem vom LVR geförderten Projekt lokale Obstsorten gefunden, aber bisher noch nicht bestimmen können. „Wir haben Sorten gefunden, die nur mit ein oder zwei Bäumen vorkamen. Wenn die umfallen, ist die Obstsorte für immer verloren.“ Weil diese lokalen Obstsorten noch keiner altbekannten Sorte zugeordnet werden konnten, fallen sie nicht unter die Regelung für alte Sorten, sondern treffen auf die volle Härte der Neuregelung. „Die Sorten dürften wir nicht vermehren. Das würde das Ende vieler Apfel- und vor allem Birnen-, Kirsch- und Pflaumensorten bedeuten, kaum dass sie entdeckt oder wiederentdeckt wurden.“ so der Obstbaumfachmann. Betroffen wären auch Gemüsesorten, wie sie die Bergische Gartenarche sammelt, erhält und vermehrt. Ziel der Bergischen Gartenarche ist es bewährte Sorten unter Gartenfreunden im Bergischen Land zu verbreiten. Damit wäre Schluss, wenn das neue EU-Recht in Kraft träte, denn keine dieser Sorten hat eine Zulassung oder kann sich auf die Ausnahmeklauseln für alte Sorten stützen. Sigrid Fröhling von der Bergischen Gartenarche ist sauer: "Es kann doch nicht sein, dass es internationale Kongresse gibt, die den Rückgang der Artenvielfalt beklagen und Kampagnen gestartet werden, um die Vielfalt zu erhalten und dann unser EU-Recht ausgerechnet bei den Nutzpflanzen genau auf das Gegenteil abzielt!“ Kritiker stellen inzwischen den Nutzen des EU-Sortenrechts generell in Frage, denn es hat in der Vergangenheit Monokulturen, anfällige und nicht an die Region angepasste Sorten, die gefährliche Gentechnik und vor allem die Marktmacht weniger Konzerne nicht verhindern können. Statt noch mehr Regulierung wäre eine Öffnung des Sortenrechts nötig. „Wenn das EU-Recht zugunsten der Saatgut-Industrie geändert wird - und das scheint der einzige Grund für diese Gesetzesänderung zu sein - bleiben kleine Händler, Baumschulen und Gärtnereien auf der Strecke. Wir alle würden abhängig von der Agrarindustrie.“ sagt Gartenfachfrau Sigrid Fröhling. Der Verordnungsentwurf soll am 6.5. von der EU-Kommission beschlossen werden und wird danach dem EU-Ministerrat und dem EU-Parlament vorgelegt. Die oberbergischen Natur- und Gartenfreunde sind zuversichtlich, dass die Verordnung im politischen Prozess noch aufgehalten werden kann. Sie rufen dazu an der Beteiligung an einer Petition an den EU-Gesetzgeber auf: https://www.openpetition.de/petition/online/saatgutvielfalt-in-gefahr-gegen-eine-eu-saatgutverordnung-zum-nutzen-der-saatgut-industrie